Von wegen „postfaktisch“: Journalistische Darstellungsformen

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Fakten werden das, was Menschen daraus machen. Texter beeinflussen die Meinungsbildung von Rezipienten. Das fängt schon bei der Wortwahl an. Umso wichtiger ist es, dass Verantwortliche in der Branche die bewährten Darstellungsformen von Inhalten kennen und achtsam damit umgehen. Ein Update.
Inhalt

Die Nachricht

Die Nachricht gibt es, weil es ungewöhnliche Ereignisse gibt. „When a dog bites a man, that’s not news, but when a man bites a dog, that’s news“: Die vielzitierte Formel bringt auf den Punkt, was eine Meldung rechtfertigt. Die „hard news“ informieren über aktuelle Ereignisse in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, die wichtig für die Allgemeinheit sind und folgenschwere Auswirkungen haben.

In den Medien sind auch zahlreiche „soft news“ zu finden. Das sind Informationen mit Unterhaltungswert, aber nicht unbedingt folgenschwer und auch meist nicht von allgemeinem Interesse.

In jedem Fall ist die Nachricht kurz, knapp und um Objektivität bemüht. Sie darf über die Meinung anderer berichten – die Meinung des Autors hat darin jedoch nichts verloren. Ihr Aufbau folgt bestimmten Regeln. Das Wichtigste am Anfang, das Unwichtigste am Schluss. Schon die ersten Sätze der Nachricht sollen die „sieben W-Fragen“ beantworten.

  • WER hat
  • WANN,
  • WAS,
  • WO,
  • WIE,
  • WARUM getan und
  • WOHER stammt die Information.

Von der Meldung, die oft nicht über wenige Zeilen hinausgeht, unterscheidet sich der länger ausformulierte Bericht. Der Bericht wird oft als der große Bruder der Nachricht bezeichnet. Denn er geht auch auf Hintergründe, Zusammenhänge und die Vorgeschichte von Geschehnissen ein. Auch für den Bericht gilt: Seine Sprache ist nüchtern und wertfrei.

Die Analyse

Vor allem Wochenzeitungen nutzen die Nachricht als Ausgangspunkt für umfassende Analysen. Das sind systematische Untersuchungen eines bestimmten Themas oder Sachverhalts. Ziel der Analyse ist es, dem Leser ein profundes Wissen zu diesem Thema zu vermitteln. Hierfür werden nicht nur Experten befragt und einzelne Aspekte ausgewertet und miteinander verknüpft, sondern auch die Auswirkungen auf die Gesamtsituation hin überprüft und bewertet.

Mit einer Infografik können die Informationen einer (Daten-)Analyse visualisiert werden. Ziel der Infografik sollte sein, Fakten sichtbar zu machen und verständlich zu vermitteln. Dies gelingt im Idealfall über eine optisch ansprechende Collage. Mit dem Auftrieb, den der Datenjournalismus derzeit erlebt, werden vor allem im Internet neue Möglichkeiten der Darstellung ausprobiert. So können zum Beispiel große Datenmengen verarbeitet und in interaktiven 3D-Grafiken für die Öffentlichkeit aufbereitet werden.

Der Service-Text

Gute Service-Texte unterstützen den Rezipienten in einer Handlungsabsicht. Dabei soll der Text einen Leser so informieren, dass dieser einen konkreten Nutzen daraus ziehen kann. Zum Beispiel eine angemessene Entscheidung über die Wahl des günstigsten Telefonanbieters oder eines Urlaubsziels.

Texte aus der Kategorie des Verbraucher-Journalismus sind gefragt. Sie klären, oft mit Hilfe von Tests, über die Qualität von Produkten auf und weisen gegebenenfalls auf Gefahren hin. Oft wird von den Lesern befolgt, was der Journalist schreibt. Oberste Kriterien für Autoren sind hier: Keine Fehler und Unabhängigkeit. Nach der Devise: Der Verbraucherjournalist hinterfragt die Produkte, die PR-Agenturen loben.

Zusammengerollte Zeitung
Licht am Ende des Tunnels: Texte haben Zukunft

Die Reportage

Die Reportage speist sich nicht aus der Recherche vom Schreibtisch aus, sondern aus der Recherche am Ort. Hier beschreibt der Reporter bis ins Detail, was er beobachtet. Anders als bei Nachricht oder Bericht, ist es ihm hierbei erlaubt, die Fakten durch persönliche Eindrücke zu ergänzen. Trotzdem bemüht sich die Reportage um Objektivität, sie wertet nicht und verschweigt auch nichts Wesentliches – ihr Ziel ist es, dem Leser den Sachverhalt wie durch eine Kamera so nahe zu bringen, als wäre dieser selbst dabei gewesen.

Die Kunst einer gelungenen Reportage besteht in deren dramaturgischem Aufbau:

  • Mit einem packenden Einstieg
  • Mit mehreren Protagonisten
  • Mit einem roten Faden und Spannungskurve
  • Bis hin zum Höhepunkt und einem pointierten Finale

Dies und eine bildhafte, ausgefeilte Sprache machen die Reportage zur Königsdisziplin im Journalismus, für die herausragende Autoren regelmäßig mit Preisen bedacht werden.

Das Feature ist eine Mischform von Reportage und Dokumentation. Der Text folgt einem dramaturgischen Aufbau und enthält im Wechsel sowohl bildhaft beschreibende als auch erklärende Elemente. „Ein Feature-Schreiber ist deshalb mehr als nur Reporter: Er schildert zwar auch, aber nur zur Illustration dessen, was er darstellen oder erklären will“, schreibt Walther von La Roche in seinem Handbuch-Klassiker: „Einführung in den praktischen Journalismus“. Vor allem im Hörfunk ist das Feature verbreitet.

Das Interview

Frage – Antwort, nichts leichter als das? Nein. Ein gutes Interview lebt von seiner Vorbereitung. Hierzu gehört es, nicht nur ein gründlich durchdachtes Geflecht an Fragen zu stellen, sondern auch auf unerwartete Reaktionen eingestellt zu sein. Gerade, weil das Interview einen lebendigen, unverstellten Blick auf eine Person oder einen Sachverhalt bieten kann, ist es in den Medien so beliebt. In der Regel wird zwischen folgenden journalistischen Interviews unterschieden:

  • Interview zur Person: z. B. Prominente, Betroffene
  • Interview zur Sache: z. B. Experteninterview
  • Mischform Sachverhalts- und Präsentationsinterview: z. B. Politiker, Künstler

Auch im Interview gilt erst einmal, dass sich der Interviewer mit seiner eigenen Meinung zurückhält und dem Interviewpartner Platz für Äußerungen gibt. Durch geschickt und hartnäckig gestellte Fragen lässt sich das Interview allerdings in eine gewünschte Richtung lenken, was auch Politiker bisweilen ins Schwitzen bringen kann. In manchen Fällen bieten sich ausführliche Streitgespräche zu bestimmten Themen an – diese werden bei Abdruck bzw. Ausstrahlung dann meist als „Gespräch“ bezeichnet.

Aufeinandergestapelte Zeitungen
Stapelweise Meinung: Medien bilden Gesellschaften ab

Der Kommentar

Am Anfang steht eine These: Im Kommentar, und nur im Kommentar, geht es ganz bewusst um die Meinung des Verfassers zu einem aktuellen politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Thema. Ziel eines Kommentars ist es, den Leser zur einer eigenen Meinungsbildung anzuregen – und nicht, in erster Linie den Verfasser mit seiner Meinung zu präsentieren. Um dem gerecht zu werden, sollte auf die These eine klare, gründliche und stichhaltige Argumentation folgen.

Kolumnen

Kommentare bilden oft eine sinnvolle Ergänzung zu Nachricht oder Bericht. Veröffentlichen ein oder mehrere Autoren regelmäßig einen Kommentar an gleichbleibender Stelle, spricht man von einer Kolumne.

Leitartikel

Der Leitartikel ist ein besonders hervorgehobener Kommentar, der in Zeitungen prominent platziert ist und in vielen Fällen eine sogenannte Blattlinie vorgibt.

Rezensionen

Die Kritik bzw. Rezension findet sich vor allem im Kulturbereich. Darin werden Bücher, Filme oder Veranstaltungen im Idealfall kenntnisreich besprochen und beurteilt. Auch hier soll der Leser dazu angeregt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Glossen

Um eine Glosse zu schreiben, benötigt der Verfasser sprachliches Talent, pointierten Witz und einen bitterbösen Blick auf seinen Gegenstand. Nicht ohne Grund halten viele Journalisten die Glosse für die schwierigste Darstellungsform. Ziel dieses bissigen Kommentars ist es, zu ironisieren, zu entlarven, zu tadeln und zu verspotten. Berühmte Glossen sind zum Beispiel das „Streiflicht“ der „Süddeutschen Zeitung“ und „Zippert zappt“ der „Welt“.

Auch Web-Content differenziert

Gut aufgestellte Textagenturen kennen diese Darstellungsformen und ihre Unterschiede. Obwohl Kunden für ihre Websites im Normalfall nicht unbedingt die große Reportage bestellen – packende, szenische Einstiege sind häufig erwünscht. Auch hochwertiger Service-Content wird mit Zunahme der intentionalen Google-Suche immer wichtiger.

Und wenn der Trend der Personalisierung von Texten so weiter geht, werden immer mehr kommentierende Inhalte zu lesen sein. So wird deutlich: Die Differenzierung journalistischer Darstellungsformen bewährt sich in vielen Bereichen – auch ganz ohne Papier.

Bildnachweise:
flickr / Journalistin by Pedro Ribeiro Simoes / CC BY-SA 2.0
flickr / Gerollte Zeitung by Silke Remmery / CC BY-SA 2.0
flickr / Zeitungsstapel by Jeff Eaton / CC BY-SA 2.0

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Max Schmitt
Max Schmitt ist Gründer und Inhaber der contify GmbH. Als gelernter Journalist hat er sich nach seinem Studium auf hochwertige Inhalte spezialisiert. Von suchmaschinenfreundlichen Texten über Interviews bis zu Content-Strategien setzen er und sein Team Botschaften in Szene. Mit seinem Co-Founder Matthias Meyer gründete er Oktober 2012 die Agentur m-square, aus der im Frühjahr 2016 die Tochterfirma contify – eine Textagentur für Content mit Mehrwert entstand.
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Max Schmitt
Max Schmitt ist Gründer und Inhaber der contify GmbH. Als gelernter Journalist hat er sich nach seinem Studium auf hochwertige Inhalte spezialisiert. Von suchmaschinenfreundlichen Texten über Interviews bis zu Content-Strategien setzen er und sein Team Botschaften in Szene. Mit seinem Co-Founder Matthias Meyer gründete er Oktober 2012 die Agentur m-square, aus der im Frühjahr 2016 die Tochterfirma contify – eine Textagentur für Content mit Mehrwert entstand.

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