SEO-Übersetzungen – mit der Lingua Franka zum internationalen Erfolg?

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Als Lingua Franka ist Englisch der zentrale Knackpunkt bei der Internationalisierung von Webseiten. Doch wer meint, man könne mal eben schnell ein paar Texte von der deutschen Webseite eins zu eins übersetzen und im Handumdrehen eine englischsprachige Webseite für den internationalen Markt auf die Beine stellen, der sollte sich nicht wundern, wenn sich selbst der Google Crawler am imaginären Kopf kratzt und fragt: „Was will uns der Künstler damit sagen?“
Inhalt

Junge Startups, zum Bersten voll mit neuen Ideen, katapultieren sich aus dem Nichts in die Riege der deutschen Trendsetter. Aus ihnen werden bald eingesessene Unternehmen, ihre Namen sprichwörtlich und ihre Webseiten aus den Top Ten der Google-Suchergebnisse nicht mehr wegzudenken. Doch dann die Idee: Expansion auf den englischsprachigen Markt! Gefolgt vom schlimmen Erwachen: Auf einmal funktionieren die alten SEO-Maßnahmen gar nicht mehr. Die Erkenntnis: Das reine Übersetzen der eigenen Webseite bringt kaum einen Kundennutzen.

Firmen aus Lübke-Land auf internationalem Glatteis

Als Lingua Franka ist Englisch der zentrale Knackpunkt bei der Internationalisierung von Webseiten – eine einzelne Verkehrssprache, die (zumindest in simpler Form) weltweit verstanden wird. Gerade im europäischen Markt kann der Launch einer zentralen englischsprachigen Webseite ein wesentlich besseres Preis-Leistungs-Verhältnis darstellen als der Versuch, für jede einzelne europäische Sprache eine eigene Seite aufzubauen.

Doch wer meint, man könne mal eben schnell ein paar Texte von der deutschen Webseite nehmen, eins zu eins übersetzen und damit im Handumdrehen eine englischsprachige Webseite für den internationalen Markt auf die Beine stellen, der sollte sich nicht wundern, wenn sich selbst der Google Crawler am imaginären Kopf kratzt und fragt: „Was will uns der Künstler damit sagen?“

Gute Übersetzungen sind immer eine Übertragungsleistung

Als Anfang 2017 ein großes deutsches Boulevard-Blatt ein langes Interview mit US-Präsident Donald Trump führen durfte, in dem er die NATO als „obsolet“ bezeichnete, da war der Aufruhr schon programmiert: Der eine Teil der Bundesrepublik war erbost über den Inhalt der Behauptung, der andere Teil kramte fieberhaft in allen verfügbaren Lexika nach dem Begriff ‚obsolet’.

„I know words, I have the best words.“ – Donald Trump

Schon bald wunderte man sich hierzulande über die ungewohnt gebildete Ausdrucksweise des Präsidenten. ‚Obsolet’, das war hochsprachig – ja fast schon Latein! Was viele übersahen: ‚obsolete’ ist der umgangssprachliche englische Begriff für ‚veraltet’ oder ‚überholt’. So umgangssprachlich, dass ihn sogar die britische Sun, die berüchtigte Heimat der Page-3-Girls, verwendet, ohne sich um ihre Leserschaft sorgen zu müssen.

Die Wahl des hochsprachlichen deutschen Begriffs zur Übersetzung eines geläufigen englischen Begriffs illustriert eine Frage, deren Beantwortung zu den Kernaufgaben des Übersetzergewerbes gehört: Wie drückt man nicht nur den selben Sachverhalt aus, sondern auch mit den selben Konnotationen – und klingt dabei dennoch natürlich?

Konzeptionelle Probleme, die nur aktive Spracherfahrung beheben kann

Das Beispiel Trump zeigt, dass Begriffe in verschiedenen Sprachen semantisch sehr unterschiedlich aufgenommen werden können: ‚Obsolete’ stammt aus dem Lateinischen. Für einen englischen Begriff ist das völlig normal, doch im deutschen Kulturkreis werden lateinstämmige Begriffe fast immer als hochsprachliche Alternative zu ‚normalen’ deutschen Begriffen empfunden – und schlimmstenfalls als arrogant abgetan.

Fernab von Stil- und Tonalitätsfragen können derartige konzeptionelle Unterschiede sogar zu ernsthaften inhaltlichen Problemen führen. Wer etwa in den gut sortierten Englisch-Wörterbüchern des Internets den Fachbegriff für den Drehflügel eines Fensters sucht, der wird schon bald auf Begriffe wie ‚swivel frame’ oder ‚rotating frame’ stoßen. Aus dem Blickwinkel eines Deutsch-Muttersprachlers klingt das sinnvoll – was auch erklärt, warum deutsche Fensterbauer die Begriffe recht häufig verwenden. Das Problem: Während der Flügel im Deutschen durch seine Dreh-Bewegung definiert wird, sprechen Englisch-Muttersprachler typischerweise in Anlehnung an die Montageposition vom ‚side-hung window’.

In einem ausformulierten Text lassen sich derartige konzeptionelle Unterschiede oft nicht durch die simple Übertragung eines Ausgangsbegriffs in den ‚richtigen’ Zielbegriff umgehen – sie sind zu grundlegend für die Funktion von Sprachakten in den jeweiligen Sprachen. Hier hilft letztlich nur langfristige aktive Erfahrung mit den Konventionen des Sprachgebrauchs in der Zielsprache.

Englisches Wörterbuch
Nur, weil es uns sinnvoll erscheint, muss es noch lange nicht richtig sein

Der Aspekt der Interferenz beim Übersetzen

Aus diesem Grund ist es heute im professionellen Übersetzungsgewerbe Gang und Gäbe, zur Übertragung von Texten primär ausgebildete Fachübersetzer mit muttersprachlichen Kenntnissen der Zielsprache einzusetzen. Man verspricht sich hiervon nicht nur ein fachliches und gleichzeitig intuitives Verständnis für die Anforderungen der Zielsprache – auch das Vermeiden sogenannter Interferenzen erhofft man sich.

Interferenz ist der sprachwissenschaftliche Begriff für das (idealerweise intuitive) Wissen über die formalen Konventionen einer Sprache, das beim Sprachenlernen und Übersetzen mit den Konventionen der Zielsprache in Konflikt geraten kann. Derartige Konflikte treten insbesondere bei vermeintlicher Gleichartigkeit zwischen Ziel- und Ausgangssprache auf. So stellen Deutsch-Muttersprachler seit jeher gerne fest, eine Aussage sei „very pregnant“, wenn sie ‚prägnant’ meinen.

Das Problem: Selbst Muttersprachlern der Zielsprache können Interferenzen in die Quere kommen, da sie sich intensiv mit einem Text in seiner Ausgangssprache beschäftigen müssen. Anfängerfehler wie etwa das Übernehmen des typischen Satzbaus der Ausgangssprache unterlaufen deswegen sogar Muttersprachlern der Zielsprache gelegentlich. Neurolinguistisch gesehen kann nämlich selbst das Wissen um die Konventionen der Muttersprache durch die vollständige Immersion in der eigentlich fremden Ausgangssprache temporär unterdrückt werden.

Übersetzen – oder gleich neu formulieren?

In Anbetracht dieser beiden fundamentalen Probleme muss für die Übersetzung einer Webseite letztlich dieselbe Regel gelten, die auch bei der Übersetzung von Literatur und Unterhaltungsmedien als Grundlage dient:

Der Zieltext ist wichtiger als der Quelltext!

Eine Übersetzung kann noch so präzise Inhalt und Wortwahl des Ausgangsmaterials widerspiegeln – wenn das Ergebnis nicht gut zu lesen ist, war die ganze Arbeit umsonst.

So, wie die SEO-Welt langsam von der rein mechanistischen Keywordoptimierung zu holistischem Content findet, so sollte sie sich auch von der direkten Übersetzung zur inhaltlichen Übertragung wenden. Denn letztlich führt das Verfassen genuin englischsprachiger Texte auf Basis der vorhandenen Informationen nämlich zu sprachlich und inhaltlich besserem Content – und damit zu größerem Erfolg im internationalen Web.

Tafel Blitze Words have Power
Erfolg mit Worten schaffen

Die Übersetzung unter klassischen SEO-Gesichtspunkten

Wer auf Proof-Keywords, Longtails und W-Fragen auch bei holistischem Content nicht gänzlich verzichten möchte, der wird beim Verfassen neuer englischsprachiger Texte seine aus dem Deutschen erprobte Herangehensweise allerdings ein wenig anpassen müssen.

Welches Englisch darf’s denn sein?

Bekanntermaßen gibt es weltweit zwei große Strömungen (linguistisch ‚Varietäten’) der englischen Sprache, nämlich das British English und das American English. Unter diesen subsummieren sich wiederum Varietäten, die zwar im Verhältnis kleiner sind, aber über eigene Begriffe, grammatische Konstruktionen und Sprachkonventionen verfügen – die alle bedacht werden müssen. Eigenständige Varietäten sind beispielsweise:

  • Canadian English
  • Australian English
  • New Zealand English
  • South African English
  • Nigerian English
  • Indian English

Im Deutschen könnte man hier analog – und in kleinerem Maßstab – vom Deutschen, Österreichischen und Schweizer Hochdeutsch sprechen, aus denen wiederum diverse Varietäten wie etwa regionale Dialekte entspringen.

Im Englischen reichen die Unterschiede zwischen den Varietäten von Besonderheiten in der Rechtschreibung (‚colour’ und ‚color’) bis hin zu sprachkulturellen Bedeutungsunterschieden (‚Hosen’ sind im Amerikanischen ‚pants’ – im Britischen sind ‚pants’ allerdings Unterhosen). Glücklicherweise erkennen Muttersprachler der diversen kleineren Varietäten typischerweise British English und American English als ‚Hochsprachen’ an, weshalb es zur Internationalisierung einer Webseite meist ausreicht, sich auf eine der beiden übergreifenden Varietäten festzulegen.

Ob nun aber American English oder British English zur internationalen Kommunikation gewählt werden sollten, wird meist erst anhand zweier zentraler Fragen klar:

Amerikanisch Britisch Übersetzungen
Welches Englisch soll es sein?

Welche Varietät spricht die Zielgruppe?

Dass sich die gewählte Sprache an der Zielgruppe orientieren sollte, ist keine neue Erkenntnis. Firmen, die primär auf dem nordamerikanischen Markt agieren, sollten also das American English ins Auge fassen, während im britischen Sprachraum die entsprechende UK-Varietät gewählt wird.

Doch wer im internationalen Markt eine gemischte Zielgruppe aus beiden Sprachvarianten erreichen möchte, der sollte im Zweifelsfall auf American English zurückgreifen. Insbesondere aufgrund des sprachlich-kulturellen Exports durch Medienerzeugnisse ist American English heute nämlich die dominante Varietät. Diese wird insbesondere im nicht-muttersprachlichen Empfinden wesentlich häufiger als dialektneutral wahrgenommen, als es beim British English der Fall ist.

Die Entscheidung für eine der beiden Varietäten ist übrigens unumgänglich – die weitverbreitete Annahme, ‚Business English’ sei eine neutrale, hochsprachliche Alternative, ist ein Irrglaube.

Was ist aus SEO-Gesichtspunkten am sinnvollsten?

Beim Keyword-Research kann es auch dazu kommen, dass zu einem gewissen Thema primär typische Begriffe der einen oder anderen Varietät als wichtigste Keywords erkannt werden. In einem solchen Fall ist es häufig sinnvoll, die generelle Sprache der Webseite entsprechend der Keyword-Ergebnisse anzupassen.

So wie Begriffe für eine Übersetzung nie einfach übertragen werden sollten, sollten auch Keywords nie einfach direkt übersetzt werden. Schon beim Keywordresearch sollte eine Auseinandersetzung mit den begrifflichen Konventionen und unterschiedlichen sprachlichen Konzepten der Zielsprache stattfinden. Nur so findet man genau die Begriffe, nach denen Muttersprachler auch wirklich suchen.

Unter keinen Umständen sollte man hier übrigens auf Basis der Keywords die Varietäten vermischen – weder innerhalb einzelner Texte, noch seitenübergreifend. Muttersprachler erkennen varietätsfremde Begriffe nämlich intuitiv und verlieren dadurch schnell das Vertrauen in den gebotenen Content.

Britische Währung
Die richtigen Worte sind im SEO-Geschäft harte Währung

Besonderheiten von SEO-Maßnahmen im Englischen

Fluch und Segen für die Optimierung der Keyworddichte ist neben der relativ geringen Auswahl an Synonymen die Wortbildung im Englischen. Bei der Komposition von neuen Worten, also der Verbindung mehrerer bestehender Begriffe, wird die resultierende Wortbildung im Deutschen nämlich zusammengeschrieben (‚Haus’ + ‚Tür’ = ‚Haustür’), während im Englischen Kompositionen durch die Nähe einzelner Begriffe in einem Satz erzeugt werden (‚front’ + ‚door’ = ‚front door’).

Die Keyworddichte ist damit im Deutschen durch Synonyme und kreative Wortbildung wesentlich leichter zu kontrollieren, als es im Englischen der Fall ist:

  • ‚Eingangstür’ -> ‚front door
  • ‚Hintertür’ -> ‚back door
  • ‚Terrassentür’ -> ‚patio door

Hier gilt es, die angepeilte Keyworddichte gegebenenfalls bis auf das Maximum von 5 % anzuheben. Was in einem deutschsprachigen Text nämlich nach Keywordstuffing aussieht, ist im Englischen die ganz normale Verteilung eines häufig benutzten Begriffs. Alle Versuche, die Keyworddichte des englischen Texts – analog zum Deutschen – durch Synonyme auf einer idealen Ebene zu halten, erzeugen hier nur unnatürlich wirkende Formulierungen.

Besonderheiten wie diese bekräftigen zusätzlich auch das Argument, nicht eins zu eins aus dem Deutschen zu übersetzen. Die Keyworddichte und die Verteilung einzelner Keyword-Elemente verändert sich während des Übersetzungsvorgangs schlicht zu schnell und zu unvorhergesehen, wenn ein Text nicht von Grund auf für das entsprechende Keyword konzipiert worden ist.

Frei von der Leber, as we say in German

Vorbei sind die Zeiten, in denen SEO-Texte noch reine Keyword-Ansammlungen ohne Kundennutzen waren. Und so sollten auch die Zeiten vorbei sein, in denen man als deutscher Konzern seine englischsprachige Webseite für den internationalen Markt als Deponie für Google-Translate-Texte versteht.

Denn wenn SEO-Übersetzungen von Firmen und Übersetzern nicht ernst genommen werden, warum sollten es dann die Kunden tun?

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Matthias Frank
Matthias P. Frank verfügt dank seines Studiums der englischen und deutschen Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften über extensive Erfahrung mit Text und Translation gleichermaßen. Seit 2015 unterstützt er das contify-Team als Junior Key Account Manager in beiden Sprachen. Neben dem Projektmanagement textet er auch regelmäßig selbst und verleiht sogar reinen SEO-Texten noch einen gewissen literarischen Touch.
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Matthias P. Frank verfügt dank seines Studiums der englischen und deutschen Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften über extensive Erfahrung mit Text und Translation gleichermaßen. Seit 2015 unterstützt er das contify-Team als Junior Key Account Manager in beiden Sprachen. Neben dem Projektmanagement textet er auch regelmäßig selbst und verleiht sogar reinen SEO-Texten noch einen gewissen literarischen Touch.

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